ThermoplumeX

Die Thermoplumex ist, ebenso wie die "klassische" Spurengas-Plumex, ein Werkzeug der experimentellen Botanik. Beide Systeme ergänzen sich im Dienst der Klimafolgenforschung. Wobei die CO2-Plumex Szenarien mit erhöhter Spurengaskonzentration im Freiland nachstellt, während die Thermoplumex höhere Lufttemperaturen simuliert. Erst im Zusammenspiel beider Systeme kann ein gewünschtes Mikroklima in einer natürlichen Pflanzengesellschaft im Freiland vollständig, d.h. mit beiden Parametern, Spurengas und Wärme, unter experimenteller Kontrolle eingestellt und langfristig gehalten werden.

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Abb.2820: Eine komplett aufgebaut Anlage die seit Juli 2012 in Betrieb ist.

 

Erste Versuche, den Wärmehaushalt im Freiland zu verändern, lassen sich bis ins Jahr 1956 nachweisen. In der agrarmeteorologischen Versuchsstation zu Trier hatte A.Morgen [1] eine Zentralheizung (Fußbodenheizung) unterirdisch verlegt. Und schon damals zeigte sich, wie schwer es ist, im stets inhomogenen Boden die Wärme (durch Leitung) gleichmäßig zu verteilen (Lettau 1954 [2]). Zudem ist durch das Eingraben von Heizelementen, gleich welcher Art, das natürliche Bodengefüge so schwer gestört, daß experimentelle Arbeiten mit naturbelassenen Ökosystemen unmöglich, oder zumindest stark einschränkt sind.

Es lag also nahe, andere Wege zu beschreiten. Und weil unter allen Faktoren, die am Wärmeumsatz des Bodens beteiligt sind, die elektromagnetische Strahlung an oberster Stelle steht, erschien es erfolgversprechend, mit elektrischen Infrarotstrahlern "berührungslos" in das Mikroklima eines Ökosystems einzugreifen. Eine typische Anlage mit IR-Strahlern von Müller & Grünhage [2008] ist in der Abb.2766 zu sehen.

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Abb.2766: Konventionelle Anlage mit Heizstrahlern

 

Trotz auffallender Vorteile gegenüber der Bodenheizung, zeigte sich alsbald, daß Strahlungsexperimente allesamt durch die immensen Energiekosten belastet sind, mit denen die Erzeugung von Strahlungsenergie aus elektrisch geheizten Glühkörpern zwingend einhergeht. Durch den schlechten Wirkungsgrad von thermischen Strahlern werden nur wenige Prozent der eingesetzten elektrischen Energie auf den Boden abgestrahlt, der Hauptteil (>90%) geht als fühlbare Wärme nutzlos nach oben verloren.

Der gravierendste Nachteil thermischer Infrarotstrahler in ökologischen Experimenten, ist aber ihre "falsche Farbtemperatur". Das optische Spektrum eines "schwarzen" Strahlers liegt immer an einer Stelle im Spektralbereich, die durch seine Temperatur festgelegt ist (Wien�scher Verschiebungssatz), und diese Stelle liegt bei elektrothermischen IR-Lampen mitten zwischen der Sonnenstrahlung und der atmosphärischen "Rückstrahlung". Unsere Sonne (6000 K) strahlt im Wellenlängenbereich um 0.5 Mikrometer, die Erdatmosphäre (300 K) um 10 Mikrometer und ein elektrischer Heizkörper (1000 K) liegt genau dazwischen, denn er "leuchtet" im Bereich um 3 Mikrometer. Die natürliche Strahlung in einem Ökosystem kann also durch thermische IR-Strahler nicht wirklichkeitsnahe simuliert werden.

Vor dem Hintergrund, daß heute als Ursache für einen Klimawandel, der Mensch und nicht eine steigende Einstrahlung der Sonne verantwortlich gemacht wird, sind Experimente mit einem primären Wärmeeintrag durch Strahlung, sowieso wenig sinnvoll um das behauptete Szenario nachzustellen. Die Hypothese, daß die befürchtete globale Erwärmung trotz einer zukünftig konstanten Sonnenstrahlung stattfinden wird, steht im Widerspruch zu dem experimentellen Ansatz, weitere Strahlungsenergie in ein zu beobachtendes System einzutragen.

Auf Leitung und Strahlung von Wärme beschränken sich bis heute alle wesentlichen Experimente, die von Aronson & McNulty [4] in einem zusammenfassenden Artikel dargestellt und diskutiert werden. Mit der Thermoplumex mußte ein anderer Weg beschritten werden als Wärmeleitung oder Wärmestrahlung.

Von den zahlreichen Möglichkeiten zur Wärmeübertragung innerhalb der Atmosphäre, die die Natur bietet, stehen dem Experimentator grundsätzlich drei Wege offen, und dabei sind nun gerade Leitung und Strahlung die schwächsten Glieder in der Familie der Möglichkeiten. Wesentlich wirkungsvoller ist der Massenaustausch. Dieser Transport von fühlbarer Wärme im Gefolge von stofflichen Wanderungen wird auch Scheinleitung genannt. Bei vertikaler Bewegung spricht man von Konvektion und bei horizontaler von Advektion. Massenaustausch in Fluiden (Luft) ist viel wirksamer als eine echte (physikalische) Wärmeleitung. Die Konvektion begegnet uns eindrücklich im Alltag, bei den häuslichen Heizkörpern der Zentralheizung. Heizkörper können weder durch Strahlung noch durch Leitung einen nennenswerten Energiebetrag an das Zimmer direkt abgeben. Einzig die durch engen Kontakt mit dem Heizkörper erwärmte Luft nimmt auf ihrem Weg durch das Zimmer die erforderliche große Wärmemenge mit auf ihre Reise.

Die Thermoplumex nutzt nun genau diesen sehr wirksamen, advektiven Massenaustausch. Das kreisrunde Versuchsfeld ist mit einem symmetrischen Ring aus elektrischen Heizfeldern eingezäunt, welche die durchtretende Luft vor ihrem weiteren Weg über den Pflanzenbestand erwärmen. Durch eine sinnreiche Elektronik werden nur die luvseitigen Heizfelder aufgesteuert und dabei die gewünschte Temperatur(differenz) durch geeignete Meß- und Regeltechnik aufrechterhalten.

Die Störung der mikroklimatischen Elemente des zu beobachtenden biologischen Systems ist vernachlässigbar klein, und die Thermoplumex übertrifft darin alle anderen Systeme. Der Schattenwurf beispielsweise, liegt durch die geeignete Wahl der Heizdrähte unter 1% (Abschattung = 100 * Drahtdurchmesser / Maschenabstand). Aber nicht nur das Licht, sondern auch der Wind kann ungehindert durch die Maschen streichen, und die natürliche Turbulenz bleibt in vollem Umfang erhalten.

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Abb.2816: Der Prototyp (hier für Topfkulturen) kann an die Bestandeshöhe angepaßt werden. Dabei steigt die Nutzfläche auf bis zu 10qm.

 

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Abb.2819: Ein Heizfeld für 40 cm Bestandeshöhe. Nutzfläche ist 5 qm. (Die Elektronik ist in den seitlichen Säulen wetterfest untergebracht.)

 

Der Prototyp hat einen Durchmesser von zwei Metern und wird aus dem Drehstromnetz (400VAC, 16A) betrieben. Größere Anlagen sind erheblich wirtschaftlicher als der Prototyp, weil die beim "scale-up" gewonnene Nutzfläche quadratisch mit dem Durchmesser des Versuchsfeldes zunimmt, während die Heizkosten nur linear mit dem Durchmesser ansteigen.

Literatur:
[1] Morgen, A: Zur künstlichen Wärmesteuerung im Wurzelraum der Pflanze. Met.Rundsch. 10, 135-139 (1957)
[2] Lettau, H: Improved Models of Thermal Diffusion in the Soil. Transact.Amer.Geophys.Union 35, 121-132 (1954)
[3] Müller, Ch. & Grünhage, L.: In Vorbereitung, persönliche Mitteilung. (2010).
[4] Aronson, E.L. & McNulty, S.G.: Appropriate experimental ecosystem warming methods by ecosystem, objective and practicality. Agr.For.Met. 149, 1791-1799 (2009)
[5] Diffenbaugh, N.S. et al.: Fine-scale processes regulate the response of extreme events to global climate change. Proc.Nat.Acad.Sci. 102 (44), 15774 - 15778 (2005).